Kränkungen am Arbeitsplatz

Ein Phänomen mit schweren Folgen

Kränkungen am Arbeitsplatz sind oft schwer zu erkennen und noch schwerer zu bewältigen. Sie reichen von offensichtlichem Mobbing bis hin zu subtilen Formen der Abwertung und können tiefe Spuren in der psychischen Gesundheit der Betroffenen hinterlassen. Bärbel Wardetzki, eine renommierte Expertin auf dem Gebiet der Psychologie, bietet tiefe Einblicke in die Dynamik solcher zwischenmenschlichen Konflikte. Sie betont die Wichtigkeit der Anerkennung und des Verstehens der eigenen Emotionen als ersten Schritt zur Überwindung.

Die Ursachen von Kränkungen am Arbeitsplatz sind vielschichtig und oft in der Arbeitskultur verankert. Konkurrenzdenken, mangelnde Anerkennung und unzureichende Kommunikation können ebenso wie Missverständnisse und persönliche Sensibilitäten zu Konflikten führen. Führungskräfte haben eine Schlüsselrolle bei der Prävention und Aufarbeitung, indem sie klare Kommunikationswege fördern und eine Kultur der Wertschätzung schaffen.

Ein konstruktiver Umgang mit Kränkungen beinhaltet mehrere Schritte: Zunächst gilt es, die Situation und die eigenen Gefühle genau zu analysieren. Warum wurde eine Äußerung oder Handlung als kränkend empfunden? Welche eigenen Unsicherheiten oder Verletzlichkeiten wurden dadurch berührt? Bärbel Wardetzki rät dazu, die eigene Verletzlichkeit anzuerkennen und als Teil der menschlichen Erfahrung zu akzeptieren.

Darüber hinaus spielt die Kommunikation eine entscheidende Rolle im Umgang mit Kränkungen. Es ist wichtig, die eigenen Gefühle auszudrücken, dabei jedoch auf Anklagen zu verzichten und stattdessen Ich-Botschaften zu nutzen. Dies erfordert Mut und Übung, kann aber zu einem besseren Verständnis und zu Lösungen führen, die für alle Beteiligten akzeptabel sind.

 

Der Ablauf einer Kränkungsreflexion

Doch wie funktioniert das alles nun konkret im Alltag? Ein effektiver Ansatz, um unsere Gefühle besser kennenzulernen, ist das bewusste Erkunden unserer eigenen Emotionen und Reaktionen. Durch das Führen eines Tagebuchs, das Praktizieren von Rollenspielen und die Durchführung von Achtsamkeitsübungen können wir tiefer in unsere persönliche Erfahrungswelt eintauchen. Diese Techniken unterstützen uns dabei, unsere Gedanken und Gefühle zu artikulieren, klare Grenzen zu setzen und im Moment präsent zu sein. Diese Übungen sind Schlüsselwerkzeuge, um aus Kränkungen zu lernen und gestärkt aus ihnen hervorzugehen.

Eine Übung, die speziell darauf abzielt, die Emotionen im Zusammenhang mit Kränkungen zu analysieren, ist die Kränkungsreflexion:

  1. Notieren Sie die Kränkung: Schreiben Sie die Situation auf, die Sie als kränkend empfunden haben. Beschreiben Sie genau, was passiert ist und wer beteiligt war.
  2. Identifizieren Sie Ihre Emotionen: Schreiben Sie auf, welche Emotionen Sie in dieser Situation empfunden haben. Dies könnte Wut, Enttäuschung, Traurigkeit oder andere sein.
  3. Erkunden Sie die Auslöser: Überlegen Sie, was genau in der Situation passiert ist, das diese starken Emotionen ausgelöst hat. Gibt es bestimmte Worte, Handlungen oder Verhaltensweisen, die besonders kränkend waren?
  4. Reflektieren Sie Ihre Reaktion: Schreiben Sie auf, wie Sie auf die Kränkung reagiert haben. Haben Sie sofort reagiert oder haben Sie Ihre Gefühle unterdrückt? Haben Sie die Situation intern verarbeitet oder mit anderen darüber gesprochen?
  5. Bewerten Sie die Intensität: Versuchen Sie, die Intensität Ihrer Emotionen auf einer Skala von 1 bis 10 zu bewerten. Wie stark war die Kränkung für Sie?
  6. Suchen Sie nach Mustern: Betrachten Sie Ihre Aufzeichnungen über verschiedene Kränkungssituationen und suchen Sie nach Mustern oder Gemeinsamkeiten. Gibt es bestimmte Trigger, die wiederholt auftreten? Gibt es Muster in Ihren Reaktionen?

Die Kränkungsreflexion ermöglicht es Ihnen, Ihre eigenen emotionalen Reaktionen auf Kränkungen zu erkennen und zu verstehen. Durch diese bewusste Analyse können Sie Muster identifizieren und Wege finden, um konstruktiver mit Kränkungen umzugehen und Ihre Resilienz gegenüber solchen Situationen zu stärken.

 

Fallbeispiel (fiktiv)

Maria arbeitet seit mehreren Jahren in einem Unternehmen und hat sich immer engagiert und loyal gezeigt. In letzter Zeit hat sie jedoch festgestellt, dass sie von einem Kollegen, Peter, häufig abgewertet wird. Peter macht ständig abfällige Bemerkungen über ihre Arbeit und ignoriert ihre Vorschläge in Besprechungen.

Maria fühlte sich dadurch zunehmend verunsichert und frustriert. Sie begann, sich selbst in Frage zu stellen und zweifelte an ihrer eigenen Kompetenz. Die Situation belastete sie auch außerhalb der Arbeit, und sie merkte, dass ihr Selbstbewusstsein darunter litt.

Schließlich entschied sich Maria, die Kränkungsreflexion anzuwenden. Sie notierte sich die konkreten Situationen, in denen sie von Peter abgewertet wurde, und identifizierte ihre Emotionen: Wut, Enttäuschung und Unsicherheit. Maria erkannte, dass Peters abfällige Bemerkungen ihre Unsicherheiten verstärkten und tiefe emotionale Reaktionen hervorriefen.

Durch die Reflexion erkannte Maria auch Muster in ihrem eigenen Verhalten. Sie stellte fest, dass sie dazu neigte, ihre Gefühle zu unterdrücken und die Situation zu vermeiden, anstatt sie anzusprechen. Maria erkannte, dass sie ihre eigenen Grenzen nicht klar kommunizierte.

Mit Unterstützung der betrieblichen Sozialberatung lernte Maria, ihre Gefühle auszudrücken und konstruktiv mit Konflikten umzugehen. Sie sprach offen mit Peter über ihre Gefühle und setzte klare Grenzen in ihrer Zusammenarbeit. Durch diesen proaktiven Ansatz gelang es Maria, ihre Resilienz zu stärken und sich beruflich weiterzuentwickeln.

Durch die Auseinandersetzung mit Kränkungen können Resilienz und Selbstbewusstsein gestärkt werden, was nicht nur im Berufsleben, sondern auch im privaten Umfeld von großem Nutzen ist. Die Bewältigung von Kränkungen ist ein Prozess, der Zeit und Engagement erfordert, aber mit den richtigen Strategien und Unterstützung zu persönlicher Stärke und beruflichem Wachstum führen kann.

Darüber hinaus ist es wichtig, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, sei es durch interne Angebote wie die betriebliche Sozialberatung oder durch externe Beratungsstellen. Diese können dabei helfen, die Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten und zusätzliche Strategien für den Umgang mit Kränkungen zu entwickeln.

Abschließend ist es entscheidend, aus der Erfahrung zu lernen und persönliches Wachstum zu fördern. Bärbel Wardetzki und andere Experten, wie Prof. Dr. Astrid Schreyögg und Dr. Reinhard Haller, betonen die Bedeutung der Selbstfürsorge und der Weiterentwicklung persönlicher Kompetenzen im Umgang mit schwierigen Situationen.

Die Bewältigung von Kränkungen am Arbeitsplatz ist ein Prozess, der Zeit und Engagement erfordert. Doch mit den richtigen Strategien und Unterstützung kann dieser Prozess zu einer Quelle der persönlichen Stärke und des beruflichen Wachstums werden.

 

Quellen:

Wardetzki, B. (2012). Nimm ́s bitte nicht persönlich: Der gelassene Umgang mit Kränkungen. Kösel-Verlag.

Schreyögg, A. (2014). Strukturelle Kränkungen als Thema im Coaching. Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 21(3), 343–352. https://doi.org/10.1007/s11613-014-0381-1

Haller, R. (2020). Die Macht der Kränkung: wie wir Kränkungen verstehen und überwinden können. ‎ Ecowin Verlag.

 

Teaserbild von Kalen Emsley auf Unsplash.

 

 


Autorin

Theresa Gorzalka

Betriebliches Gesundheitsmanagement (M.A.)
Systemischer Coach für Achtsamkeit und kreative Prozessbegleitung
Heilpraktikerin für Psychotherapie
Mobil: 01579 – 235 63 12
theresa.gorzalka@diebildungspartner.de

 

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