Themenfokus: “Das Glück und das große Missverständnis” als PDF
Nicht auf das Glück warten
Mitten in der dritten Welle und nach vielen Wochen des sozialen Rückzugs ist unsere mentale Gesundheit fragil geworden. Umso wichtiger ist es, dass wir Selbstfürsorge betreiben und für viele Glücksmomente sorgen.
Doch kann man sich das aktuell überhaupt erlauben, guter Laune zu sein, wenn es doch gerade vielen nicht gut geht? Stoßen wir andere nicht vor den Kopf, wenn wir den Fokus auf Positivität und Freude lenken, während so viele leiden?
Genau hier ist ein Denkfehler, so erläutert Glücksforscher und Verfechter der positiven Psychologie Shawn Achor. Wenn wir warten, bis Probleme bei der Arbeit weniger geworden sind, bis Rassismus abgeschafft wurde, Ungerechtigkeit verschwunden oder das Coronavirus überwunden ist, dann werden wir Glück nicht erleben. Noch weniger werden wir erleben, wie vorteilhaft diese Emotion für unser Leben ist und was sich durch eine positive Haltung ändern kann.
Auch Martin Seligman, Pionier der positiven Psychologie, betont, wie wichtig positive Emotionen insbesondere in einer existentiellen Krise sind. Nach dem 11. September wurden täglich über tausend Menschen in einer Studie nach ihrem Gemütszustand befragt. Die Ergebnisse zeigten, dass Glaube, Hoffnung und Liebe stark anstiegen, über 6 Monate lang auf dem gleichen Niveau blieben und für glückliche Momente sorgten. Insgesamt zeigten die Menschen, die wenigstens noch in einem geringen Maße positive Emotionen erlebten, weniger Belastungsreaktionen und waren insgesamt gesünder.
Unser Glück wird von unserer Wahrnehmung bestimmt
Wenn wir uns mit dem Thema Glück befassen, dann lernen wir, dass unser Lebensglück nicht Laune des Schicksals ist, sondern zu 90 Prozent von unserer inneren Wahrnehmung bestimmt wird und dem, was wir darüber denken und glauben.
Um dieses Konzept zu verstehen, beginnen wir mit einem Beispiel. Eine junge Frau, die gesund ist, einen erfolgreichen Job nachgeht und viel Geld verdient, ist trotzdem nicht glücklich. Sie kauft sich ein Haus, ein Auto und fühlt sich dennoch innerlich „leer“. Ihre innere Unruhe kann sie weder durch affektive Beziehungen noch materielle Güter beseitigen.
Als sie sich auf den Weg macht ihr „Unglück“ zu verstehen, entdeckt sie, dass sie ihr ganzes Leben anderen zeigen wollte, was in ihr steckt. Ihr wird klar, dass sie viel dafür getan hat, ihre Familie und Freunde zufriedenzustellen. Sie war davon überzeugt, dass Glück und Zufriedenheit mit ihren äußeren Umständen zusammenhängen und wusste bisher nicht, dass ihre Wahrnehmung und die Bewertung ihrer Erfahrungen eine große Rolle beim Erleben ihres Glücks spielten.
Unser Gehirn als Wahrnehmungsfilter
Um zu verstehen, welche Rolle die Wahrnehmung genau spielt, müssen wir unser Gehirn näher betrachten. Jeden Moment sind wir Millionen von Reizen ausgesetzt sind. Die Aufgabe unseres Gehirns ist es, ständig Entscheidungen darüber treffen, welche Reize wichtig sind und welche es vernachlässigen kann.
Über unsere Augen, Ohren, Nase, Zunge und Haut muss es die wichtigsten Informationen aus unserer Umwelt herausfiltern. Diese Art der Verarbeitung ist unerlässlich, denn wenn wir alles wahrnehmen würden, hätte unser Gehirn sehr viel zu tun und wir wären nicht in der Lage, den Alltag zu bewältigen. Der wichtige Punkt hier ist, dass das, was wir am Ende konkret wahrnehmen, durch unser bisheriges Leben geprägt wird.
Unsere Erfahrungen entscheiden, welche Bedeutungen wir den wahrgenommenen Reizen geben und auch, welche Annahmen wir treffen und Schlussfolgerungen wir daraus ziehen. Zum Beispiel besitzen wir die Fähigkeit, aus einer Geräuschkulisse wie einem Großraumbüro ein einzelnes Geräusch wie das Tastaturtipp-Geräusch herauszuhören. Besonders störend nehmen es wir Dinge wahr, die wir mit einer negativen Erfahrung in der Vergangenheit verbinden.
Wenn wir das, was wir wahrnehmen, jedoch als positiv bewerten, erleben wir durch die dann ausgelösten Hormone wie Dopamin oder Serotonin ein positives Gefühl.
Und genau diesen Prozess des Wahrnehmens und Bewertens können wir trainieren. Wir können Glück also lernen.
Und wie nutzen wir diese Erkenntnis im Alltag?
Der positive Tagesrückblick
Wir beginnen damit unseren Fokus zu ändern und unserem Gehirn damit zu signalisieren, welche Gefühle wir mehr erleben wollen. Eine leicht umzusetzende Übung ist dabei einen positiven Tagesrückblick als treuen Begleiter zu installieren.
Am besten als tägliches Abendritual, mit dem Sie Ihre Wahrnehmung schon tagsüber auf die Wahrnehmung positiver Ereignisse ausrichten. „Das ist jetzt gerade schön – ach, daran werde ich mich heute Abend in meinem Tagesrückblick erinnern!“ Das kann dann so aussehen: „Ich habe mir in der Mittagspause Zeit genommen, die Sonne bewusst zu genießen, oder: ich habe den Kindern im Hof beim Spielen zugeschaut.
Der positive Tagesrückblick ist somit ein wunderbarer und leicht zu erlernender Trainingsplan, um Ihren „Glücksmuskel“ zu trainieren. Und wie bei jedem Muskel ist die Regelmäßigkeit der Schlüssel zum Glück.
Quellen:
Lyubomirsky, S. & Neubauer, J. (2018). Glücklich sein: Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben (2., aktualisierte Aufl.). Campus Verlag.
Seligman, M. E. P. & Brockert, S. (2005). Der Glücks-Faktor: Warum Optimisten länger leben (15. Aufl. 2005 Aufl.). Lübbe.
Achor, S. (2018). Big Potential: How Transforming the Pursuit of Success Raises Our Achievement, Happiness, and Well-Being. Currency.
Emmons, R. (2008). Vom Glück, dankbar zu sein.: Eine Anleitung für den Alltag. Campus Verlag.
„50 Karten, die glücklich machen“ von Carolin Magunia, Moses-Verlag
Mehr Glück im Alltag – ein Übungsblatt
Mehr Glück im Alltag – Übungsblatt als PDF
Wie steigern wir unser Glückgefühl im Alltag?
Indem wir uns neue Gewohnheiten und Haltungen aneignen.
Unser Gehirn hat flexible Strukturen und ist elastisch. Es verändert sich die ganze Zeit, stellt sich um und reflektiert unsere Erfahrungen. Die Milliarden von Hirnzellen sind miteinander verbunden und bilden gemeinsam ein komplexes System von neuronalen Verknüpfungen. Wenn wir lernen, dann verbinden sich neue Verknüpfungen in unserem Gehirn. Je mehr wir eine bestimmte Tätigkeit ausüben, desto mehr Verbindungen entstehen zwischen den Neuronen.
Und was bedeutet das für unsere neuen Gewohnheiten? Wenn wir eine neue Gewohnheit regelmäßig ausführen, dann sind die Neuronen mit der Zeit die so gut verknüpft, so dass wir kaum noch Konzentration brauchen um eine Sache auszuführen. Der „Glücksmuskel“ ist dann trainiert und arbeitet fast wie von allein.
Übungen zum Glücklich-Werden
Perspektivwechsel
Die nächste Übung kann überall durchgeführt werden. Sie hilft dabei, die Aufmerksamkeit auf Schöne Dinge im Alltag zu lenken.
An den Fingern der linken Hand zählen Sie zuerst fünft Dinge ab, über die Sie sich in diesem Moment freuen. Im Anschluss zählen Sie an den Finger der rechten Hand fünft Dinge ab, für die Sim im Augenblick dankbar sind. Wenn Sie diese Übung ein bis zwei Wochen lang Tag für Tag immer aufs Neue gemacht haben, werden sie merken, dass sich an der Wahrnehmung Ihrer Umgebung etwas ändert. Es werden mit der Zeit Dinge in den Vordergrund rücken, über die Sie sich freuen.
Reframing
Der Begriff des Reframings stammt aus dem Englischen. Auf Deutsch übersetzt bedeutet es soviel wie: den Dingen einen neuen Rahmen geben oder auch die Umdeutung eines Problems. Wenn die Kollegin Sie am Morgen von der Seite unfair anmault, dann nehmen Sie es nicht persönlich. Die Situation könnte auch so betrachtet werden, dass sie sich zu Hause mit Ihrem Partner gestritten hat oder einfach nur schlecht geschlafen hat.
Wertschätzung sich selbst gegenüber
Sich selbst Wertschätzung zeigen, ist eine wichtige Haltung im Alltag. Auch ohne Anlass sollten Sie sich jeden Tag etwas Positives und Ermutigendes sagen:“ Ich bin gut genug“. „Ich mache das richtig gut.“ Sich selbst regelmäßig zu loben festigt die Selbstakzeptanz und das Selbstvertrauen. Wenn Sie beispielsweise eine Aufgabe beenden und sich der nächsten zuwenden, dann halten Sie kurz inne und sagen: Gut gemacht! Oder „Super“ zu sich selbst.
Erinnerungsanker
Setzen Sie sich gezielt Erinnerungsanker, um sich daran zu erinnern, dass sie nun entspannter und glücklicher leben wollen. Die Erinnerung können kleine Klebepunkte oder Symbole sein, die sich Sie an Badezimmerspiegel, an Bilderrahmen, Schreibtisch oder Küchenschrank kleben. Nur Sie selbst wissen, was der Schmetterling oder der Smiley oder der blaue Punkt bedeutet: Pause machen und das Hier und Jetzt bewusst wahrnehmen.
Quelle: Engelbrecht, S. (2013a). Lass’ los, was dir Sorgen macht! (GU Mind & Soul Kleiner Coach) (2. Aufl.).
GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
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