Sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz

Newsletter zum Thema Sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz als PDF

Einleitung

Das Thema unseres aktuellen Newsletters Sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz gehört leider – besonders bei Frauen – oft zum beruflichen Alltag, wird aber häufig tabuisiert.

Sexualisierte Belästigung kommt im fließendem Übergang zwischen harmlosem Flirt und massiver Überschreitung des persönlichen Nähe- und Distanzraums vor; sie ist durch Würdeverletzung und Unerwünschtheit gekennzeichnet.

Die Frage „Habe ich mich nicht früh genug abgegrenzt?“ führt oft zu massiven Schuldgefühlen der Betroffenen und hält sie lange davon ab, Öffentlichkeit über die Geschehnisse herzustellen. Außerdem ist die Angst groß, durch die Ablehnung berufliche Nachteile zu erfahren. Immer wieder das Erlebte zu schildern zu müssen, führt zu einer hohen psychischen Belastung.

Es ist uns daher ein wichtiges Anliegen, Sie zu diesem Thema zu sensibilisieren und zu ermutigen, geeignete Maßnahmen zur Prävention und zum Umgang mit diesem Thema zu ergreifen.

Es besteht eine gesetzliche Verpflichtung (geregelt im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – AGG) zu handeln. Außerdem kann sich sexualisierte Belästigung negativ auf das Betriebsklima und den Ruf des Unternehmens auswirken.

 

Hintergründe

Was versteht man unter sexualisierter Belästigung?

  • Sexuelle Handlungen (zu nahekommen)
  • Aufforderung zum sexuellen Verhalten (z. B. auf den Schoß setzen)
  • Körperliche Berührungen, die Sie nicht möchten (z. B. unaufgeforderte Massage im Schulter-Nacken-Bereich)
  • Worte/Sprüche mit sexuellem Inhalt
  • Zeigen von Dingen (z. B. Fotos, Poster, E-Mails) mit sexuellem Inhalt

 

Was kennzeichnet die sexualisierte Belästigung?

  • Einseitigkeit
  • Unerwünschtheit
  • Erniedrigung und Abwertung
  • Grenzüberschreitung
  • Versprechen beruflicher Vorteile bei sexuellem Entgegenkommen
  • Androhen beruflicher Nachteile bei Verweigerung

 

Was kann ich persönlich dagegen tun?

  • Prüfen Sie Ihr Gefühl. Die Grenzen und Empfindungen jedes einzelnen Menschen sind individuell und verschieden. Wichtig ist, dass Sie Ihre eigenen Grenzen erkennen, diese akzeptieren und gegen andere schützen.
  • Entscheidend ist nicht, was der Andere damit beabsichtigt hat, sondern wie es Ihnen damit geht!
  • Sagen Sie der Person, dass Sie sich belästigt fühlen!
  • Bringen Sie Ihren Unmut über unerwünschte Berührungen oder anderen Zudringlichkeiten mit deutlichen, lauten Worten zum Ausdruck
  • Weisen Sie die Person energisch und deutlich zurück!
  • Fordern Sie – möglichst im Beisein anderer – ein derartiges Verhalten künftig zu unterlassen!
  • Sollte die belästigende Person ihr Verhalten nicht unterlassen, informieren Sie Ihren Arbeitgeber. (Nur, wenn Sie darüber informieren, kann der Arbeitgeber reagieren!)
  • Sprechen Sie mit Personen Ihres Vertrauens.
  • Dokumentieren Sie die Vorfälle (Gedächtnisprotokoll)
    • Was – wann – wer – Gefühle dabei – ZeugInnen? (Das dient dazu, Fakten zu sammeln.)

Reagieren Arbeitgebervertreter (Vorgesetzter, Betriebs- oder Personalrat, Werksarzt, Gleichstellungsbeauftragte) nicht oder ist sogar der Vorgesetzte der Belästigende, suchen Sie außerbetriebliche Unterstützung, wie z. B. die Betriebliche Sozialberatung oder die Antidiskriminierungsstelle des Bundes:

Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Postanschrift: Glinkastraße 24, 10117 Berlin
Besucheranschrift: Kapelle-Ufer  2, 10117 Berlin
Tel.: 030 18555-1855
Fax: 030 18555-41855
juristische Erstberatung: Mo 13–15, Mi und Fr 9–12 Uhr
allgemeine Anfragen: Mo-Fr 9–12 und 13–15 Uhr
E-Mail Beratung: beratung@ads.bund.de

 

Folgen sexualisierter Belästigung am Arbeitsplatz

  • Ekelgefühle, Empörung, Wut, Erstarrung, Verunsicherung und Rückzug.
  • Ohnmacht, Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein
  • Selbstzweifel und Schuldgefühle
  • Verunsicherung, ob Sie sich möglicherweise »falsch« verhalten haben, sich nicht ausreichend gewehrt oder »überzogen« reagiert haben
  • Schweigen aufgrund von Schamgefühlen
  • Angststörungen, Schlafstörungen, Alpträume, Essstörungen, Schmerzreaktionen, Beziehungskonflikte
  • Einschränkung der Leistungsfähigkeit der betroffenen Frauen
  • Krankschreibung
  • Versetzungsanträge
  • Kündigung
  • Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit

 

Gesetzliche Grundlagen

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist am 18. August 2006 in Kraft getreten und regelt die Verpflichtungen des Arbeitgebers.Zudem wurde im Jahr 2016 das Strafrecht reformiert; seitdem ist die sexualisierte Belästigung von Frauen im öffentlichen Raum ein Straftatbestand.

AGG

  • 1 Ziel des Gesetzes

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Besonders in § 12 werden die arbeitgeberseitigen Pflichten benannt

  • 12 Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen.

(2) Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult, gilt dies als Erfüllung seiner Pflichten nach Absatz 1.

(3) Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.

(4) Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 Abs. 1 benachteiligt, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen.

Des Weiteren sind im AGG folgende Sachverhalte geregelt, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll:

  • Beschwerderecht (§ 13 AGG)
  • Leistungsverweigerungsrecht (§ 14  AGG)
  • Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz (§ 15  AGG)

 

Maßnahmen und Prävention im Betrieb

Vorab ist hier anzumerken, dass die Verfahrenshoheit über einzuleitende Schritte immer bei der betroffenen Person bleibt! Darüber hinaus gilt grundsätzlich die Unschuldsvermutung.

Voraussetzung für präventive Maßnahmen im Betrieb ist ein klares Bekenntnis des Arbeitgebers und der Betriebsparteien gegen sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz.

Die Umsetzung der im AGG festgelegten Maßnahmen sollte kontinuierlich erfolgen. Führungskräfte sollten regelmäßig und verpflichtend geschult und für das Thema sensibilisiert werden. Die Festlegung der Verantwortung sollte in einer Betriebsvereinbarung erfolgen.

Die im September 2017 erschienene Studie der Hans-Böckler-Stiftung [1], die an der Berliner Charité durchgeführt wurde, empfiehlt das sog. WPP-Vorgehen:

  1. Durch Aufmerksamkeit (Watch)
  2. Schutzangebote (Protect)
  3. und vorbeugende Maßnahmen (Prevent)

Außerdem ist es sinnvoll, ein strukturiertes Beschwerdeverfahren mit verbindlichen AnsprechpartnerInnen zu initiieren und darüber betriebs- bzw. verwaltungsintern zu informieren. „Das fördert eine Kultur des Hinschauens“ [2]

 

Einfache Präventionsmaßnahmen:

  • Beschwerdestelle (§ 13 AGG) einrichten
  • Thematisierung von sexueller Belästigung: bei Personalversammlungen oder durch Informationsschreiben
  • Informationsmaterial bereitstellen und aushändigen
  • Beratungsstellen bekannt machen (Frauennotrufe, Betriebliche Sozialberatung, Opferschutzorganisationen, Antidiskriminierungsstelle des Bundes)

 

Umfassende Präventionsmaßnahmen:

  • Schulungen zur Sensibilisierung für das Thema durchführen, regelmäßig und für alle Beschäftigten.
  • verpflichtende Fortbildungen für Personalverantwortliche.
  • Beschwerdeverfahren konkret regeln. Die Verfahrensprinzipien der Beschwerdestelle sollten genau festgelegt werden. Dazu gehören Themen wie Vertrauensschutz und Anonymität, die Neutralität und Weisungsunabhängigkeit der Beschwerdestelle sowie die Dokumentation der Beschwerden. Transparente Verfahren erleichtern den Weg der Beschwerde.
  • Betriebsvereinbarung zum Umgang mit sexualisierter Belästigung am Arbeitsplatz abschließen. Die Betriebs- oder Dienstvereinbarung sollte sexuelle Belästigung eindeutig definieren und die verschiedenen Formen deutlich machen.
  • Konkrete Ansprechpersonen sollten benannt werden. In der Betriebsvereinbarung kann auch das Beschwerdeverfahren geregelt werden.
  • Durchsetzung und Überprüfung der Vereinbarungen und Verfahrensregeln.
  • Umfragen im Betrieb können helfen, zu ermitteln, was zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz getan werden sollte. Gleichzeitig kann so die Effizienz der Präventionsmaßnahmen erfasst werden.

Quellen/Lietratur:

[1] Sabine Oertelt-Prigione; Sabine Jenner: Prävention sexueller Belästigung, Studie der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 369, September 2017

[2] Silke Martini: Gegen Sexismus, in: Arbeitsrecht im Betrieb, Ausgabe 03/2018, Bund Verlag GmbH
• Antidiskriminierungsstelle des Bundes: “Was tun bei sexueller Belästigung?” Leitfaden für Beschäftigte, Arbeitgeber und Betriebsräte, 2018

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